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Prof. Christian Puta: PEM Verstehen: Immunbiologische und physiologische Implikationen für körperliche Aktivität

 

Kurzzusammenfassung

 

Auf der Fatigatio e.V. - Bundesverband ME/CFS-Fachtagung 2024 erläuterte Prof. Christian Puta die biologischen Grundlagen der Post-Exertionellen Malaise (PEM).

 

Mikrozirkulation und Sauerstoffnutzung

Die mikrovaskulären Veränderungen tragen erheblich zur Sauerstoffbeeinträchtigung bei, die eine Schlüsselrolle in der Entstehung von PEM nach körperlicher Anstrengung spielt. PEM wird durch diese Störungen ausgelöst und verschärft, besonders nach Aktivität. Die strukturellen Veränderungen der roten Blutkörperchen und der Mikrozirkulation erschweren den Sauerstofftransport, was die mitochondriale Funktion und Energieproduktion beeinträchtigt.

 

Mitochondriale Funktionsstörung

Die Mitochondrien arbeiten ineffizient, was zu einer unzureichenden ATP-Produktion führt. Dies zwingt den Körper, auf anaerobe Prozesse zurückzugreifen, die weniger effizient sind und zu Laktatansammlungen und Gewebeübersäuerung führen.

 

Erhöhte Blutplättchenaggregation und endotheliale Dysfunktion

Endotheliale Dysfunktion (Fehlanpassung der Innenwände der Gefäße) führt zu einer verminderten Durchblutung und einer erhöhten Aggregation (Verklumpung) von Blutplättchen. Das bedeutet, dass die Blutplättchen vermehrt aneinander haften und Klumpen bilden. Diese Störung beeinträchtigt die normale Funktion des Blutgerinnungssystems und den Stoffwechsel von Serotonin und Tryptophan. Dies kann zu Symptomen wie Fatigue und kognitiven Beeinträchtigungen führen.

 

Anaerober Stoffwechsel (ohne Sauerstoff)

Durch die mitochondriale Dysfunktion wird der oxidative Stoffwechsel gestört. Der Körper produziert weniger ATP pro Glukosemolekül, was zu einer stärkeren muskulären Fatigue und längeren Regenerationszeiten führt.

 

Beeinträchtigter Glukosestoffwechsel

Erhöhte Laktatwerte im Ruhezustand deuten auf eine gestörte Glukoseverwertung (Zucker) und mitochondriale Dysfunktion hin. Dies erschwert die Erholung nach körperlicher Belastung erheblich.

 

Niedriggradige Entzündung

Eine chronische Entzündungsaktivität, reduzierte Immunzellpopulationen und erhöhte Antikörperantworten könnten durch die Reaktivierung von latenten Viren wie dem Epstein-Barr-Virus (EBV) verursacht werden.

 


 

Der Vortrag im Detail

 

1. Blutplättchenaggregation und Serotonin/Tryptophan-Stoffwechsel

Puta betont in seinem Vortrag, dass die Aggregation von Blutplättchen bei ME/CFS und Post-COVID die Verfügbarkeit von Serotonin beeinträchtigt. Blutplättchen sind kleine Zellen, die normalerweise Blutungen stoppen, indem sie Gerinnsel bilden. Bei Menschen mit ME/CFS oder Post-COVID können diese jedoch "verklumpen", was die Freisetzung von Serotonin hemmt. 


Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff im Gehirn, der unsere Stimmung und kognitive Funktionen beeinflusst. Wenn weniger Serotonin freigesetzt wird, kann dies zu kognitiver Fatigue und Symptomen wie Brain Fog führen. Zusätzlich beeinflusst eine Entzündung den Tryptophanstoffwechsel – Tryptophan ist eine Aminosäure, die in Serotonin umgewandelt wird. Diese Störung kann über den Vagusnerv Signale an das Gehirn (insbesondere den Hippocampus) senden und kognitive Beeinträchtigungen verstärken.

 

2. Mitochondriale Dysfunktion und Sauerstofftransport

In Putas Studien wird hervorgehoben, dass die Mitochondrien – die "Kraftwerke" der Zellen – bei ME/CFS und Post-COVID gestört sind. Mitochondrien produzieren ATP (Adenosintriphosphat), die Hauptenergiequelle des Körpers. Wenn sie jedoch ineffizient arbeiten, produziert der Körper weniger ATP. Dies zwingt den Körper dazu, auf weniger effiziente Energiequellen umzuschalten, was zur Ansammlung von Laktat (Milchsäure) und Gewebeübersäuerung führt. Dieser Prozess trägt zu muskulärer Fatigue bei, d.h. die Muskeln ermüden schneller und benötigen länger zur Erholung. Betroffene erleben somit längere Erholungszeiten nach körperlicher Aktivität und sind stark in ihrer körperlichen Belastbarkeit eingeschränkt.

 

3. Mikrozirkulation und Endotheldysfunktion

Laut Puta's Vortrag und den Studien führt eine Endotheldysfunktion, also eine Fehlfunktion der Innenwände der Blutgefäße, bei ME/CFS zu einer gestörten Mikrozirkulation. Die Mikrozirkulation bezieht sich auf den Blutfluss in den kleinsten Gefäßen, die den Sauerstoff in das Gewebe transportieren. 


Durch die Endotheldysfunktion können die roten Blutkörperchen weniger Sauerstoff in das periphere Gewebe transportieren. Außerdem sind die roten Blutkörperchen bei ME/CFS oft deformiert, was ihre Fähigkeit, Sauerstoff abzugeben, weiter einschränkt. Diese gestörte Sauerstoffversorgung ist besonders problematisch nach körperlicher Anstrengung und führt zu muskulärer Fatigue. Betroffene erleben eine Verschlechterung der Symptome (PEM), die sich nach jeder Anstrengung verschlimmern kann.

 

4. Dysregulierte Stickstoffmonoxidproduktion und Gefäßtonus (Vortrag)

In seinem Vortrag erklärt Puta, dass Stickstoffmonoxid (NO) eine wichtige Rolle bei der Entspannung und Erweiterung der Blutgefäße spielt. NO hilft, die Blutgefäße zu öffnen und den Blutfluss sowie den Sauerstofftransport zu verbessern. 


Bei Menschen mit ME/CFS und Post-COVID ist die NO-Produktion jedoch gestört, was dazu führt, dass die Blutgefäße verengt bleiben. Diese Verengung verschlechtert die Sauerstoffzufuhr zu Muskeln und Organen, insbesondere während körperlicher Belastung, und trägt so zur muskulären Fatigue bei. Die eingeschränkte NO-Produktion bedeutet, dass der Körper weniger in der Lage ist, den Sauerstoff dorthin zu transportieren, wo er am dringendsten benötigt wird.

 

5. Dysregulierte Stickstoffmonoxidproduktion und Arginin (Studien)

In den Studien, die Puta mitverfasst hat, wird die Stickstoffmonoxidproduktion (NO) ebenfalls als zentraler Faktor bei der Endotheldysfunktion und gestörten Mikrozirkulation hervorgehoben. Arginin, eine Aminosäure, wird benötigt, um NO zu produzieren. Wenn nicht genügend Arginin vorhanden ist, wird weniger NO produziert, was die Fähigkeit der Blutgefäße, sich zu erweitern, einschränkt. 


Dies führt zu einer schlechteren Sauerstoffdiffusion ins Gewebe und trägt zur Fatigue bei. Erste Studien zeigen, dass eine Arginin-Supplementierung die NO-Produktion verbessern und damit die Gefäßfunktion und den Sauerstofftransport fördern könnte.

 

6. Mitochondriale Dysfunktion und ATP-Produktion

Puta betont in seinen Studien, dass mitochondriale Dysfunktion eine Schlüsselrolle bei der Fatigue von ME/CFS- und Post-COVID-Betroffenen spielt. Mitochondrien produzieren ATP, die Hauptenergiequelle des Körpers. Wenn die Mitochondrien jedoch nicht effizient arbeiten, produziert der Körper weniger ATP, und es wird vermehrt auf anaerobe Energiequellen umgeschaltet. 


Dies führt zu einer Ansammlung von Laktat und einer Gewebeübersäuerung. Die erhöhte Laktatproduktion verstärkt die muskuläre Fatigue und verlängert die Erholungszeit nach körperlicher Anstrengung. Besonders stark betroffen sind Patienten mit schwerem ME/CFS, deren Mitochondrien stark beeinträchtigt sind.

 

7. Interaktion von Mikrobiom und Entzündungsprozessen

Puta und sein Team haben in ihren Studien gezeigt, dass bei ME/CFS- und Post-COVID-Betroffenen oft eine Dysbiose vorliegt, also ein Ungleichgewicht der Darmflora. Das Mikrobiom beeinflusst viele Prozesse im Körper, darunter auch Entzündungen. Eine gestörte Darmflora kann zu chronischen Entzündungen führen, die sowohl kognitive als auch muskuläre Fatigue nach Belastung verschlimmern.  


Diese Entzündungsprozesse verstärken die Post-Exertionelle Malaise (PEM) und machen es den Betroffenen schwer, sich von körperlichen und kognitiven Anstrengungen zu erholen.

 

8. Ergänzung zu Punkt 7: Niedriggradige Entzündung

Puta erklärt, dass eine "low-grade inflammation", also eine leichte, aber chronische Entzündungsaktivität, bei ME/CFS-Betroffenen häufig ist. Dendritische Zellen, die normalerweise dafür zuständig sind, Krankheitserreger zu erkennen und das Immunsystem zu aktivieren, sind bei diesen Patienten oft reduziert. 


Dies bedeutet, dass das Immunsystem nicht optimal arbeitet, was die Reaktion auf Infektionen und die Bekämpfung von Viren erschwert. Diese chronische Entzündung trägt sowohl zur kognitiven als auch zur muskulären Fatigue bei und verstärkt die Symptome nach Anstrengung (PEM). Die Betroffenen sind somit in einem ständigen Zustand der Fatigue, der durch Entzündungsprozesse verschlimmert wird.

 

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