Kurzzusammenfassung
Orthostatische Intoleranz (OI) ist eine chronisch manifestierte, jedoch häufig unterschätzte Dysautonomie bei ME/CFS-Betroffenen, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigt. Mindestens zwei Drittel der Betroffenen leiden unter OI. Orthostatische Intoleranz zeichnet sich dadurch aus, dass der Körper Schwierigkeiten hat, den Blutdruck in aufrechter Position – sowohl im Sitzen als auch im Stehen – stabil zu halten oder auf Lagewechsel angemessen zu reagieren. Dies führt neben Übelkeit und kalten Extremitäten außerdem zu Symptomen wie Schwindel, Herzrasen und Benommenheit, welche sowohl die muskuläre als auch die kognitive Fatigue verstärken und den Alltag erheblich erschweren.
Im aktuellen D-A-C-H-Konsensuspapier zur Diagnostik und Behandlung von ME/CFS wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, OI frühzeitig zu identifizieren und zu behandeln, da der damit einhergehende orthostatische Stress häufig unterschätzt wird. OI kann die Post-Exertionelle Malaise (PEM) verstärken und Crashs auslösen, die zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesamtzustands führen können.
Trotz ihrer Häufigkeit bleibt OI oft lange unerkannt, da die Ärzteschaft in den Fachbereichen Neurologie und Kardiologie häufig nicht ausreichend mit den spezifischen Symptomen von ME/CFS und OI vertraut ist. Zeitliche Kapazitäten für eine eingehende Untersuchung fehlen oft. Dabei gibt es einfache Möglichkeiten, einige Formen der OI auch zu Hause zu testen und zu dokumentieren.
Dennoch haben leicht betroffene Personen Schwierigkeiten, die Symptome einer OI zu erkennen, da diese oft schleichend und unterschwellig auftreten. Studien zeigen, dass die Diagnose bei ihnen besonders herausfordernd ist.
Im Blogbeitrag erklären wir ausführlich, wie der angepasste NASA-Lean-Test hilft, einige Formen der OI zu erkennen, und geben hilfreiche Tipps für medikamentöse und nicht-medikamentöse Ansätze, um die Symptome zu lindern.
Für eine tiefere Auseinandersetzung mit der Orthostatischen Intoleranz bei ME/CFS sind die wissenschaftlichen Publikationen von Frans C. Visser und Linda van Campen, Peter Rowe, David Systrom sowie Peter Novak besonders empfehlenswert. Sie haben bedeutende Forschungsarbeiten zur Diagnostik und den verschiedenen Formen der OI bei ME/CFS veröffentlicht. Ihre Studien bieten wertvolle Einblicke in die Zusammenhänge zwischen dem autonomen Nervensystem und den Störungen der Blutdruckregulation, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinflussen.
⚠️ Wichtige Anmerkung: Orthostatische Intoleranz wird häufig mit Angstzuständen verwechselt, da ihre Symptome wie Schwindel, Benommenheit und Herzrasen ähnlich wirken wie die körperlichen Reaktionen bei Angststörungen oder Panikattacken. Betroffene können in aufrechter Position, etwa beim Stehen oder Sitzen, Symptome erleben, die wie Beklemmungsgefühle und eine Art „Platzangst“ erscheinen.
Ein Grund für diese Fehldiagnosen liegt in der unzureichenden Vertrautheit in der Ärzteschaft mit der OI im Kontext von ME/CFS, wodurch die Symptome manchmal fälschlicherweise als stress- oder angstbedingt interpretiert werden. OI verursacht jedoch tatsächlich eine eingeschränkte Blutversorgung des Gehirns und führt zu einem Zustand namens “Prä-Synkope,” dem Gefühl kurz vor einer Ohnmacht, der bei Betroffenen oft als “Kollaps-Gefühl” beschrieben wird.
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Die Orthostatische Intoleranz (OI) im Detail
1. Einführung in die Orthostatische Intoleranz (OI) bei ME/CFS
Orthostatische Intoleranz (OI) ist eine häufige Komorbidität bei ME/CFS, welche die Unfähigkeit beschreibt, den Blutdruck in aufrechter Position stabil zu halten und auf Lagewechsel angemessen zu reagieren. Dies führt sowohl im Sitzen als auch im Stehen zu Symptomen wie Übelkeit, Schwindel, Tachykardie, Tinnitus, Benommenheit, kaltschweißige Extremitäten, Blässe, Sehstörungen und in einigen Fällen Synkopen (Ohnmacht). Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben, da das Gehirn und andere Organe nicht ausreichend mit Blut versorgt werden. OI tritt bei etwa 70–90 % der ME/CFS-Betroffenen je nach Studienlage auf.
2. Klinische Bedeutung von OI bei ME/CFS
Eine der gravierendsten Folgen von OI ist die Reduktion der Hirndurchblutung um bis zu 30%, was zu schweren kognitiven Einschränkungen wie „Brain Fog“ führt. Auch das Herz und andere Organe sind von der unzureichenden Blutversorgung betroffen, was die Belastung des gesamten Körpers erhöht. Bei unbehandelter OI können langfristige Schäden wie eine dauerhafte Verschlechterung der kognitiven und körperlichen Funktionen auftreten. OI ist eng mit der Post-Exertionellen Malaise (PEM) verknüpft, die nach körperlicher, kognitiver, emotionaler, sensorischer und orthostatischer Belastung zu Crashs führt und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränkt.
3. Was bedeutet “Blutvolumen” und “Vasokonstriktion”?
Bei gesunden Menschen sorgt der Körper beim Aufstehen dafür, dass sich die Blutgefäße verengen (Vasokonstriktion), um den Blutdruck zu erhöhen und sicherzustellen, dass das Blut effizient zum Gehirn, Herz und anderen Organen gepumpt wird. Dies ist notwendig, um den Schwerkrafteffekt zu kompensieren, der dazu führt, dass das Blut in die unteren Extremitäten absinkt. Durch die Vasokonstriktion bleibt die Sauerstoffversorgung des Gehirns, des Herzens und der anderen Organe stabil.
4. Folgen der Dysfunktion bei ME/CFS
Bei Menschen mit Orthostatischer Intoleranz (OI) funktioniert dieser Mechanismus nicht richtig. Das Blutvolumen reicht nicht aus, um das Gehirn, das Herz und andere Organe ausreichend zu versorgen. Die Blutgefäße reagieren nicht adäquat, was dazu führt, dass das Blut in den Beinen versackt und die Organe, einschließlich des Gehirns, nicht genug Sauerstoff erhalten. Dies kann zu schwerwiegenden Symptomen führen.
5. Arten der OI
5.1 Posturale Tachykardiesyndrom (PoTS)
Das Posturale Tachykardiesyndrom (PoTS) ist eine spezifische Form der Orthostatischen Intoleranz (OI), bei der die Herzfrequenz beim Aufstehen um mehr als 30 Schläge pro Minute ansteigt. Dies geschieht, weil das Blut in die unteren Körperregionen absinkt und das Herz versucht, dies zu kompensieren, indem es schneller schlägt. Bei PoTS bleibt der Blutdruck dabei in der Regel stabil, während die Herzfrequenz deutlich ansteigt. Im Gegensatz dazu fällt bei der Orthostatischen Hypotonie (OH) der Blutdruck stark ab. Es gibt jedoch auch Mischformen, bei denen sowohl ein Anstieg der Herzfrequenz als auch ein Abfall des Blutdrucks auftritt. PoTS betrifft etwa 30–50% der ME/CFS-Betroffenen.
5.1.1 PoTS-Subtyp | HyperPoTS
Hyperadrenerges PoTS (HyperPoTS) ist eine seltene Form des Posturalen Tachykardiesyndroms, bei dem eine übermäßige Ausschüttung von Noradrenalin im Stehen beobachtet wird. Diese Form von PoTS wird durch eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems verursacht, was zu starkem Herzrasen, hohem Blutdruck und anderen typischen orthostatischen Symptomen führt.
Bei HyperPoTS kommt es im Gegensatz zum klassischen PoTS nicht nur zu einem Anstieg der Herzfrequenz, sondern auch des Blutdrucks. Die Symptome umfassen oft Schweißausbrüche, Zittern, Angstgefühle und Kopfschmerzen. HyperPoTS kann außerdem starke kognitive Beeinträchtigungen verursachen, da die übermäßige Noradrenalin-Ausschüttung die Hirndurchblutung beeinträchtigen kann. Untersuchungen zeigen, dass HyperPoTS häufiger mit Autoimmunerkrankungen und genetischen Faktoren assoziiert ist, was möglicherweise zu einer chronischen Sympathikusaktivierung beiträgt.
Eine häufige Komorbidität bei HyperPoTS ist das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS), das Symptome wie Hautausschläge, allergieähnliche Reaktionen und gastrointestinale Beschwerden verursachen kann. Die Behandlung von MCAS kann potenziell zur Linderung der HyperPoTS-Symptome beitragen.
Ein diagnostisches Merkmal für HyperPoTS ist ein Anstieg des systolischen Blutdrucks um mehr als 10 mmHg im Stehen, verbunden mit einem erhöhten Noradrenalinwert im Stehen von über 600 pg/mL.
5.1.2 PoTS-Subtyp | Neuropathisches PoTS
Neuropathisches PoTS ist eine Form des Posturalen Tachykardiesyndroms, die durch eine Nervenschädigung (insbesondere kleiner Nervenfasern) in den Beinen und teilweise im Abdomen verursacht wird. Da diese Nerven normalerweise die Verengung der Blutgefäße steuern, führt eine Schädigung zu einer unzureichenden Gefäßverengung, sodass das Blut in den Beinen versackt. Um dies zu kompensieren und den Blutfluss aufrechtzuerhalten, muss das Herz schneller schlagen, was zu einer Erhöhung der Herzfrequenz (Tachykardie) führt. Die Symptome umfassen oft eine bläuliche Verfärbung der Füße (Zyanose), Blutstauungen und vermindertes Schwitzen in den betroffenen Extremitäten.
Neuropathisches PoTS tritt oft nach Infektionen, Operationen oder Verletzungen auf und könnte einen autoimmunen Ursprung haben. In einigen Fällen wurden Autoantikörper gegen den ganglionären Acetylcholinrezeptor festgestellt, was auf eine mögliche autoimmunbedingte Schädigung der Nerven hinweist.
5.1.3 PoTS-Subtyp | Hypovelomisches PoTS
Hypovolemisches PoTS ist eine Form des Posturalen Tachykardiesyndroms, bei der das Blutvolumen ungewöhnlich niedrig ist. Durch diesen Mangel an Blutvolumen fließt weniger Blut zum Herzen zurück, was das Herz dazu veranlasst, schneller zu schlagen, um die Durchblutung aufrechtzuerhalten. Menschen mit hypovolemischem PoTS haben oft niedrige Werte von Renin und Aldosteron – Hormone, die normalerweise den Flüssigkeits- und Salzhaushalt regulieren und das Blutvolumen stabil halten. Typische Symptome umfassen allgemeine Schwäche und eine stark verringerte Toleranz für körperliche Belastung.
Da das Blutvolumen nicht ausreichend ist, um den Blutdruck stabil zu halten, kann es zu Schwindel und Fatigue kommen. Hypovolemisches PoTS wird oft mit einer erhöhten Flüssigkeits- und Salzaufnahme behandelt, um das Blutvolumen zu steigern und die Symptome zu lindern. Zusätzlich kann das Anheben des Kopfteils des Bettes zur Stabilisierung des Blutvolumens beitragen (siehe Abschnitt 6.4).
5.2 Neuronal vermittelten Hypotonie (NMH)
Bei der neuronal vermittelten Hypotonie (NMH, Neurally Mediated Hypotension) sinkt der Blutdruck verzögert nach dem Aufstehen, oft erst nach 10-20 Minuten. Wenn der Abfall eintritt, erfolgt dieser abrupt und schnell, was zu einem plötzlichen Blutdruckabfall und zu Ohnmachtsanfällen führen kann, da das Nervensystem nicht in der Lage ist, den Blutdruck über einen längeren Zeitraum stabil zu halten.
NMH ist somit eine Form der OI, bei der der Blutdruck durch eine verzögerte Reaktion des autonomen Nervensystems plötzlich abfällt.
5.3 Orthostatischen Hypotonie (OH)
Bei der Orthostatischen Hypotonie (OH) sinkt der Blutdruck unmittelbar nach dem Aufstehen, in der Regel innerhalb der ersten 3 Minuten. Dieser Abfall tritt schneller nach dem Aufrichten auf als bei NMH, verläuft jedoch insgesamt langsamer und gleichmäßiger, da der Blutdruck bei OH kontinuierlich und allmählich sinkt. OH wird häufig diagnostiziert, wenn der systolische Blutdruck um mindestens 20 mmHg oder der diastolische um mindestens 10 mmHg fällt.
OH ist eine Form der OI, die durch einen sofortigen Blutdruckabfall nach dem Aufstehen charakterisiert ist. Es gibt jedoch auch Mischformen zwischen NMH und OH.
5.4 Hypocapnic Cerebral Hypoperfusion (HCH)
Hypocapnic Cerebral Hypoperfusion (HCH) entsteht, wenn niedrige CO2-Werte durch tiefes oder zu schnelles Atmen die Blutgefäße im Gehirn verengen. Dies reduziert die Hirndurchblutung und verursacht Symptome der OI, jedoch ohne den typischen Anstieg der Herzfrequenz, wie er bei PoTS auftritt.
5.5 Orthostatic Cerebral Hypoperfusion Syndrome (OCHOS)
Orthostatic Cerebral Hypoperfusion Syndrome (OCHOS) zeigt ebenfalls eine verminderte Hirndurchblutung in aufrechter Position – vermutlich durch eine gestörte Regulation der Blutgefäße, allerdings ohne signifikante Veränderungen der Herzfrequenz (Tachykardie) oder des Blutdrucks (Hypotonie). Beide Formen verdeutlichen, dass orthostatische Dysfunktionen auch ohne typische Kreislaufveränderungen bestehen können.
HCH und OCHOS zeigen eine verringerte Hirndurchblutung ohne Veränderungen der Herzfrequenz, wobei HCH durch niedrige CO2-Werte und OCHOS durch eine gestörte Blutgefäßregulation verursacht wird.
Die diagnostische Herausforderung besteht oft darin, dass klassische Tests wie der Kipptischtest keine Veränderungen der Herzfrequenz oder des Blutdrucks aufzeigen. Extrakraniale Doppler-Ultraschalltests während eines Kipptischtests ermöglichen jedoch eine präzisere Messung der Hirndurchblutung und können helfen, HCH und OCHOS zu erkennen.
6. Nicht-medikamentöse Maßnahmen bei OI
6.1 Erhöhte Flüssigkeits- und Salzzufuhr
Ein zentraler Bestandteil der nicht-medikamentösen Therapie bei Orthostatischer Intoleranz (OI) ist die erhöhte Flüssigkeits- und Salzzufuhr, um das Blutvolumen zu stabilisieren. Es wird empfohlen, ausreichend und vor allem regelmäßig zu trinken, da das Blutvolumen bei Menschen mit OI oft zu niedrig ist. Eine bewährte Methode ist die vorsichtige Zugabe von Sole in Wasser, um den Körper gleichmäßig mit Salz zu versorgen und die Kreislauffunktion zu unterstützen. Sole lässt sich einfach selbst herstellen, indem beispielsweise ein Klumpen Ursalz in Wasser gelegt wird. Nach etwa 24 Stunden, wenn sich der Großteil aufgelöst hat und ein Rest des Salzes übrig bleibt, ist die Sole gesättigt.
Eine übliche Dosierung ist, einen Teelöffel Sole auf einen Liter oder mehr Wasser zu geben und dies über den Tag verteilt zu trinken. Sollte das Wasser zu salzig schmecken, ist dies das intuitive Signal des Körpers, dass der Salzgehalt zu hoch ist. In diesem Fall sollte weniger Sole verwendet werden. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass sowohl zu viel trinken als auch zu viel Salz schädlich sein können. Daher sollte jede Anpassung der Salz- und Flüssigkeitszufuhr mit einem Arzt abgestimmt werden, um die richtige Balance zu finden.
6.2 Kompressionskleidung
Kompressionskleidung übt Druck auf den Unterkörper und die Beine aus, was den Rückfluss des Blutes zum Herzen erleichtert. Bei ME/CFS reichen Kompressionsstrümpfe oft nicht aus. Effektiver sind Bauchbinden oder Kompressionsleggings, die den Bauchraum mit einbeziehen. Dies hilft, den Blutdruck zu stabilisieren und Symptome zu minimieren oder im besten Fall zu verhindern.
6.3 Posturale Manöver
Posturale Manöver sind einfache Haltungsanpassungen, die helfen, den Blutdruck zu stabilisieren. Das Kreuzen der Beine im Stehen oder das Sitzen im Schneidersitz kann den venösen Rückfluss und die Kreislauffunktion verbessern. Eine weitere hilfreiche Anpassung ist, die Rückenlehne leicht nach hinten zu neigen und die Beine im Sitzen hochzulegen, anstatt in einer aufrechten Position mit nach unten hängenden Beinen zu sitzen.
6.4 Anheben des Kopfteils des Bettes
Das Hochstellen des Kopfteils des Bettes um 10–15 cm ist eine bewährte Maßnahme, um das Blutvolumen langfristig zu stabilisieren, insbesondere bei hypovolemischem PoTS. Durch die erhöhte Position wird ein leichter orthostatischer Reiz erzeugt, der das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System aktiviert. Dies fördert die Flüssigkeits- und Salzretention im Körper und kann dazu beitragen, das Blutvolumen zu steigern und Symptome zu lindern. Diese Methode wird besonders bei hypovolemischem PoTS empfohlen, kann jedoch auch bei anderen Formen von PoTS unterstützend wirken.
⚠️ Wichtiger Hinweis zu Aktivierung und Sport bei Dysautonomien
Bei Dysautonomien wie der orthostatischen Intoleranz wird häufig Aktivierung, leichtes Training oder sogar Ausdauersport empfohlen, um das autonome Nervensystem zu stabilisieren und die Kreislaufregulation zu verbessern. Für Betroffene von ME/CFS ist diese Herangehensweise jedoch kontraindiziert. Sport oder Aktivierungsmaßnahmen können bei ME/CFS-Betroffenen durch die Post-Exertionelle Malaise (PEM) zu schweren Crashs führen, den allgemeinen Gesundheitszustand erheblich verschlechtern und den Krankheitsverlauf somit dauerhaft negativ beeinflussen. Daher sollte Aktivierung nicht als Therapieform für ME/CFS-Betroffene angewandt werden. Es ist wichtig, dass therapeutische Ansätze individuell angepasst und die speziellen Bedürfnisse von ME/CFS berücksichtigt werden.
7. Medikamentöse Therapie bei OI
7.1.1 Blutvolumen und Vasokonstriktion
Medikamente Medikamente wie Fludrocortison (Astonin H) und Midodrin erhöhen das Blutvolumen und verengen die Blutgefäße, um den Blutdruck zu stabilisieren. Sie sind besonders wirksam bei Betroffenen mit Orthostatischer Hypotonie (OH) oder neural vermittelter Hypotonie (NMH), bei denen der Blutdruck beim Aufstehen stark absinkt. Fludrocortison fördert die Salzretention, was das Blutvolumen erhöht und Symptome wie Schwindel und Ohnmachtsanfälle lindert.
- OH und NMH: Bei diesen Formen der OI wird Fludrocortison verordnet, da es hilft, den Blutdruck nach dem Aufstehen stabil zu halten. Midodrin verengt die Blutgefäße und verbessert so den Blutdruck in aufrechter Position, was besonders bei Schwindel hilfreich ist.
- Orthostatic Cerebral Hypoperfusion Syndrome (OCHOS): Bei OCHOS, bei dem die Hirndurchblutung ohne signifikante Herzfrequenz- oder Blutdruckveränderungen verringert ist, können Fludrocortison und Midodrin ebenfalls hilfreich sein, um den Blutfluss zum Gehirn zu verbessern. Zusätzlich können in schweren Fällen CO2-haltige Mischungen untersucht werden, um die Durchblutung des Gehirns zu fördern.
7.1.2 CO2-Regulierung bei Hypocapnic Cerebral Hypoperfusion (HCH)
Bei Hypocapnic Cerebral Hypoperfusion (HCH), bei der niedrige CO2-Werte die Blutgefäße im Gehirn verengen, liegt der Schwerpunkt der Behandlung auf der Regulierung des Atemmusters. Atemtherapien helfen, den CO2-Spiegel zu stabilisieren. In bestimmten Fällen wird Acetazolamid eingesetzt, um die CO2-Retention zu fördern und die Blutgefäße im Gehirn zu erweitern. Dies verbessert die Hirndurchblutung und lindert Symptome wie Schwindel und Benommenheit.
7.2 Medikamentöse Therapie bei PoTS-Subtypen
7.2.1 Klassisches PoTS und allgemeine Herzfrequenzkontrolle
8. Angepasster NASA-Lean-Test
Der angepasste NASA-Lean-Test beginnt damit, dass sich die Person für 5–10 Minuten hinlegt, um eine Ruhephase zu erreichen. In dieser Phase werden die Herzfrequenz und der Blutdruck gemessen. Danach steht die Person auf und lehnt sich für 10 Minuten mit den Schulterblättern an eine Wand, wobei die Fersen etwa 15 cm von der Wand entfernt sind. Während dieser Phase werden die Herzfrequenz und der Blutdruck minütlich gemessen. Diese Messungen helfen, die Reaktion des Körpers auf das Aufstehen zu analysieren, was bei der Diagnose von OI hilfreich ist. Studien zeigen, dass insbesondere bei ME/CFS-Betroffenen, die an OI leiden, während dieses Tests eine signifikante Reduktion der Hirndurchblutung auftreten kann.
Der Test bewertet nicht nur die Veränderungen der Herzfrequenz und des Blutdrucks, sondern auch die während des Tests auftretenden Symptome. Besonders bei ME/CFS-Betroffenen können Symptome wie Übelkeit, Schwindel und Blaufärbung der Extremitäten auftreten, selbst wenn die kardiovaskulären Werte keine deutlichen Veränderungen zeigen. Der Test kann verwendet werden, um OI in Form von PoTS, OH oder NMH zu diagnostizieren. Ein Vordruck zur Auswertung des Tests kann auf PoTS-Dysautonomia.net heruntergeladen und ausgedruckt werden. Dieser kann in der Neurologie oder Kardiologie vorgelegt werden, um die Diagnose zu erleichtern, da der Test in der Praxis zu zeitaufwendig ist.
⚠️ Symptomatische Hinweise für den Abbruch des angepassten NASA-Lean-Tests: Der Test sollte abgebrochen werden, wenn die betroffene Person Anzeichen von starker Benommenheit, Vorstufe einer Ohnmacht (Prä-Synkope), Übelkeit, plötzlichem Schwitzen oder Blässe zeigt. Auch Symptome wie starke Schwindelanfälle oder eine extreme Blaufärbung der Extremitäten können ein Hinweis darauf sein, den Test zu stoppen, um eine Ohnmacht zu verhindern. Eine engmaschige Beobachtung während des Tests ist wichtig, um sicherzustellen, dass der Test sicher durchgeführt wird.
9. Diagnostische Tests in Forschung und Praxis
9.1 Kipptischtest
Zur Diagnose von OI bei ME/CFS-Betroffenen werden verschiedene Tests verwendet, um die Reaktion des Körpers auf Lagewechsel zu untersuchen. Ein häufig eingesetzter Test ist der Kipptisch-Test, bei dem die Person auf einem Tisch liegt, der langsam in eine aufrechte Position gekippt wird. Währenddessen werden Herzfrequenz und Blutdruck kontinuierlich überwacht, um Veränderungen zu dokumentieren, die auf OI hinweisen könnten.
9.2 Doppler-Sonografie
Eine diagnostische Methode zur Untersuchung von OI ist die transkranielle Doppler-Sonografie (TCD), die den Blutfluss im Gehirn während des Lagewechsels misst und so häufig auftretende Durchblutungsstörungen sichtbar macht. Zusätzlich wird die Doppler-Technik genutzt, um den Blutfluss in verschiedenen Arterien zu erfassen, was wertvolle Hinweise auf vaskuläre Dysregulationen liefern kann. Beide Verfahren unterstützen die Identifizierung der unterschiedlichen OI-Formen und die Entwicklung gezielter Behandlungsansätze.
Das Handout zur Orthostatischen Intoleranz (OI) bei ME/CFS bietet einen kompakten Überblick und kann als Unterstützung bei einem Arztbesuch dienen. Über den QR-Code gelangt ihr direkt zum detaillierten Blog-Beitrag.
Quellen: